FAQ

Klimawandel

Der Klimawandel gilt als eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die weltweit tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Umwälzungen hervorruft.

Auswirkungen auf unsere Gesundheit und auf die Ökosysteme sind jetzt schon spürbar, wie beispielsweise die Hitzewellen und langen Trockenperioden in den letzten Jahren verdeutlicht haben. Solche extremen Wetterereignisse werden durch den Klimawandel wahrscheinlicher und sie dauern länger an. Auch das steigende Wasserdefizit in vielen deutschen Weinbauregionen ist auf höhere Temperaturen im Jahresmittel zurückzuführen: Selbst wenn der Niederschlag gleich bleibt, kann es aufgrund der steigenden Evaporation und Transpiration zu Wasserknappheit im Weinberg kommen. Die Prognose ist, dass durch die Erderwärmung die Produktionskapazität auf für den Ackerbau genutzten Flächen im Durchschnitt weltweit abnimmt. Auch der Weinbau ist von diesem Trend stark betroffen.

Wein reagiert sehr sensibel auf den Klimawandel und wird durch diesen zunehmend beeinflusst. Wissenschaftler haben die Auswirkungen des Klimawandels auf die Weinproduktion untersucht und aufgezeigt, wie stark der Anbau der Weintrauben unter dem Klimawandel leiden wird. Weinbaubetriebe in mediterranen Weinbauregionen sind hierbei besonders betroffen: Im Mittelmeerraum, in Kalifornien, Chile, Südafrika und Australien werden voraussichtlich bis Mitte des Jahrhunderts große Anteile der heutigen Anbauflächen von Weintrauben wegen des Zusammenspiels aus wachsendem Wassermangel und ohnehin schon hohen Temperaturen, die weiter ansteigen werden, aufgegeben werden müssen.

Demgegenüber stehen jedoch neue Flächen, die sich in kühleren Lagen befinden, die zukünftig gute klimatische Bedingungen für Weinbau bieten, aber außerhalb der traditionellen Weinbaugebiete liegen.

Insgesamt wird von einer abnehmenden Anbaufläche für Weintrauben ausgegangen, zumal andere Kulturen wie Zitrusfrüchte, Kernobst oder Mandeln aus den mediterranen Zonen ebenfalls in Richtung der Pole verdrängt werden. So wird sich die Konkurrenz um Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung zuspitzen. Eine Folge dieser Flächenkonkurrenz wird sein, dass sich der Druck auf heutige Naturschutzgebiete und nicht genutzte Flächen vergrößert, was wiederum Rückzugsgebiete für gefährdete Tiere und Pflanzen zerstören kann (Hannah et al., 2013).
Im Vergleich zu den mediterranen Anbaugebieten ist der deutsche Weinbau noch in einer komfortablen Lage, allerdings stehen auch hier tiefgreifende Veränderungen an. Das zeigt sich beispielsweise in der Veränderung der Typizitäten heimischer Rebsorten, in neuen Möglichkeiten für wärmeliebende Rebsorten, in steigenden Alkoholgehalten oder in weiteren Generationen von Schädlingen. Eine andere bereits spürbare Folge ist das oben angesprochene wachsende Wasserdefizit und dem damit tendenziell verbundenen Rückgang an Erntemengen in vielen Weinbauregionen.

Klimaschutz

Um das zukünftige Ausmaß der globalen Erwärmung zu eruieren, arbeitet der Weltklimarat mit unterschiedlichen sogenannten „Entwicklungspfaden“, da so Vorhersagen zum weiteren Verlauf der Erderwärmung möglich sind. Diese ist an mehrere Faktoren der Entwicklung der weltweiten Volkswirtschaften gebunden, wie zum Beispiel an den Fortschritt in der Dekarbonisierung, also der Loslösung der Wirtschaft von Treibhaugasemissionen, an das Wirtschaftswachstum und an die demografische Entwicklung. Derzeit befinden wir uns auf dem Pfad, der mit einem Temperaturanstieg in Verbindung gebracht wird, was in den 90er-Jahren, als diese Modelle entwickelt wurden, als Worst-Case-Szenario gleichgesetzt wurde. Tatsächlich wird das damalige „Best-Case“-Szenario, das mit einer schnellen und effektiven Dekarbonisierung der Weltwirtschaft einher gegangen wäre, in den heutigen Modellen nicht mehr aufgeführt, da diese Option schon nicht mehr im Rahmen unserer Möglichkeiten liegt.

Seit der Klimaschutzvereinbarung in Paris in 2015 spiegelt der politische Konsens das wissenschaftlich untermauerte Ziel wider, die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Dieses Ziel wird heute vielfach in politischen Strategiepapieren und Nachhaltigkeitsberichten von emissionsintensiven Unternehmen wiederholt, ohne jedoch in geeignete Lenkungsmechanismen überführt worden zu sein, die dieses Ziel tatsächlich in greifbare Nähe rücken. Um dieses Ziel sicher zu erreichen, müssen alle Sektoren ihre Treibhausgasemissionen drastisch senken und bis 2040 weltweit netto klimaneutral werden. Unsere Bundesregierung bekennt sich zur Klimaneutralität Deutschlands bis 2050 – was allerdings mit erheblichen Risiken einhergeht, dass dieses Klimaschutzziel verfehlt wird. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Ländern, die bis heute keine verbindlichen Klimaschutzziele festgelegt haben und wachstumsstarken Dekaden entgegenblicken, wodurch ihr relatives Gewicht an der globalen Wirtschaftsleistung, aber auch der Treibhausgasemissionen, steigen werden.

Es ist eine Tatsache, dass das Zeitfenster, in dem wir effektiv handeln können, mit jedem Tag kleiner wird. Bereits heute haben wie einen durchschnittlichen Temperaturanstieg der Oberfläche der Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum (1850-1900) von etwa 1 Grad, was Land- und Wassermassen umfasst. Der Temperaturanstieg auf den Landmassen ist dabei laut Weltklimarat etwa doppelt so hoch. Abbildung 1 verdeutlicht den Verlauf des Temperaturanstiegs in Deutschland und zeigt, dass die durchschnittliche Jahrestemperatur im Lauf der letzten 200 Jahre bereits um etwa 2 Grad Celsius gestiegen ist und dass sich dieser Anstieg in den letzten 30 Jahren zudem stark beschleunigt hat (Abbildung 1).

 

 

Abbildung 1: Temperaturanstieg in Deutschland (Quelle: Stefan Rahmsdorf, nach Daten von OPENDATA.DWD.DE / CC BY-SA 4.0 CC BY-SA (Ausschnitt))

Klar ist, dass die gesamte Menschheit spätestens 2050 netto klimaneutral leben und wirtschaften muss, um den Klimawandel auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Netto klimaneutral bedeutet, dass unter dem Strich weltweit keine weiteren klimawirksamen Gase freigesetzt werden. Offen ist allerdings bis heute, wie genau das vonstattengehen soll. Ein wachsender Teil der notwendigen Einsparungen wird weiteren politischen Regularien unterworfen werden, wie die CO2-Steuer oder das Fördern erneuerbarer Energien für die Strom- und Wärmegewinnung. Auch eine sehr hohe Besteuerung des Fleischkonsums und das Verbot jeglicher Abholzung von Urwäldern und der Bewirtschaftung von Mooren sind effektive Optionen. Kurzum sind die heute bestehenden politischen Instrumente nicht darauf ausgelegt, die Klimaschutzziele effektiv zu erreichen – denn dann müssten Treibhausgasemissionen in einem Ausmaß bepreist sein, dass es wirtschaftlich nicht mehr attraktiv wäre, fossile Energieträger zu nutzen, und das Zerstören von wesentlichen Kohlenstoffsenken wie Urwälder und Moore müsste verboten sein.

Spätestens seit den 1990er-Jahren ist das Ausmaß des Klimawandels bekannt, der ab einem gewissen Punkt unumkehrbar sein wird, doch ein wirkungsvolles politisches Gegensteuern gibt es bis heute nicht. Dies säht Zweifel an der Fähigkeit und dem Willen ebendieser Entscheidungsträger, zukünftig in der gebotenen Geschwindigkeit effektive Anreize zu setzen, um den notwendigen Umbau der Volkswirtschaften weltweit zu bewerkstelligen. Fest steht: Es hapert heute nicht an neuem Wissen oder Verständnis, es mangelt an beherztem Handeln. Wenig überraschend ist es daher, dass es bis dato primär Unternehmen sind, die sich hinter das gesellschaftliche Ziel stellen und es in ihrem eigenen Wirkungskreis heute schon effektiv vorantreiben. Wirkungsvoller Klimaschutz ist hausgemacht.

Die Weinbranche wird von der globalen Erwärmung nicht nur empfindlich getroffen, sie trägt durch ihren Verbrauch an Energie und Materialien selbst zum Klimawandel bei. Dadurch haben Betriebe der Weinbranche die Möglichkeit, vielleicht auch die Verpflichtung, selbst zu handeln und zur Eindämmung des Klimawandels aktiv beizutragen. Das Bewusstsein wächst, das die Notwendigkeit besteht, effektiv Klimaschutz zu betreiben, um die zukünftigen Lebensgrundlagen zu erhalten. Klimafreundliches Handeln wird daher von Kunden und Geschäftspartnern zunehmend geschätzt.

Der CO2-Fußabdruck und der Zusatz „klimaneutral“ haben inzwischen vor allem unter der Generation Y und der Generation Z, also den Jahrgängen zwischen 1980 und 2012, einen hohen Bekanntheitsgrad. Damit wird auf etlichen Produkten über alle Warengruppen hinweg auf klimafreundliches Handeln hingewiesen. Das erste deutsche Weingut, das einen CO2-Fußabdruck erhielt, war das Weingut Zähringer in Baden in 2010, gefolgt von den Mitgliedern des Pilotprojekts zum CO2-Fußabdruck der Weinbauregion Franken, woran ich in beiden Fällen mitwirken durfte. Heute hat eine Vielzahl von Betrieben in der Weinwirtschaft eine Emissionsbilanz erstellt und arbeitet kontinuierlich an einer Verminderung des Einflusses auf das Klima.

Klimaschutz betrifft in der Praxis ökologische, soziale und ökonomische Aspekte und deckt damit alle drei Säulen der Nachhaltigkeit ab. Klimaschutz ist folglich ein wesentliches Element von Nachhaltigkeit, aber eben nur einer von vielen weiteren ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten. Aussagen, die Klimaschutz mit Nachhaltigkeit per se gleichsetzen, greifen daher zu kurz. Tatsächlich kommt es regelmäßig zu einem Spannungsfeld zwischen Klimaschutzzielen, Fragen der sozialen Gerechtigkeit, ökonomischer Machbarkeit und anderen ökologischen Zielsetzungen, wie die effiziente Nutzung von Wasserressourcen und Biodiversität. Klimaschutzlösungen im Sinne der Nachhaltigkeit berücksichtigen folglich diese Wechselwirkungen.

Der CO2-Fußabdruck

Eine Emissionsbilanz durchleuchtet jeden Aspekt des Betriebs auf Verbesserungspotentiale, was effektive und umfassende Klimaschutzmaßnahmen für den jeweiligen Einzelfall ermöglicht. Allerdings ist dies in der Regel mit finanziellen Kosten und einem gewissen Zeitaufwand verbunden, da ein vollständiges Inventar der verwendeten Materialien und des Energieeinsatzes aufgestellt werden muss. Für Betriebe, die klimaneutral wirtschaften wollen und klimaneutrale Produkte anbieten möchten, ist der CO2-Fußabdruck die notwendige Grundlage. Fest steht jedoch, dass es keiner formalen Berechnung der Treibhausgasbilanz bedarf, um klimafreundlich zu wirtschaften, denn über die größten Reduktionsmöglichkeiten besteht dank der praktischen Erfahrungen der vergangenen Jahre sowie der Forschungsergebnisse heute Klarheit. Auf dieser Internetseits werden daher die wichtigsten Emissionsquellen und Klimaschutzmaßnahmen in der Weinwirtschaft vorgestellt und diskutiert.

Die Treibhausgasbilanz wird synonym auch „Klimabilanz“, „Emissionsbilanz“, „CO2-Bilanz“ oder „CO2-Fußabdruck“ genannt. Der CO2-Fußabdruck gibt Auskunft darüber, in welchem Ausmaß und aus welchen Quellen klimaschädliche Gase durch ein Unternehmen und seine Produkte entstehen. Es handelt sich jedoch um eine Bilanzierung aller sechs durch den Weltklimarat (IPCC) und durch das Kyoto-Protokoll festgelegten Treibhausgase, was Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O, Lachgas), Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs), Perfluorcarbone (PFCs) und Schwefelhexafluorid (SF6) umfasst. Vereinfachend werden diese Treibhausgase, die sehr viel größere Auswirkungen als Kohlenstoffdioxid haben, aber in geringeren Mengen emittiert werden, in CO2-Äquivalente (CO2e) umgerechnet, denn so können Sie direkt miteinander verglichen werden.

Für die Weinwirtschaft sind die wesentlichen Treibhausgase CO2 aus der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen wie Diesel, Erdgas, oder Erdöl in der eigenen Produktion, im eigenen Fuhrpark oder dem von Transportunternehmen, sowie in der Stromerzeugung, was in Deutschland auch die klimaschädliche Steinkohle und Braunkohle umfasst. Ferner spielt auch N2O bzw. Lachgas eine Rolle, das durch die Ausbringung von Stickstoffdünger entsteht. Die oben genannten Treibhausgase sind alle deutlich wirksamer als Kohlendioxid. Ein Kilogramm Lachgas ist für das Klima so schädlich wie 298 kg CO2.

Die Grundlagen der Emissionsbilanzierung sind bereits in den 90er-Jahren entstanden, damals als integrierter Bestandteil einer Lebenszyklusanalyse von Produkten oder Prozessen, die neben der Wirkung auf das Klima viele weitere ökologische Kategorien beinhaltete, wie in den ISO-Normen 14040 und 14044 vorgelegt. Das World Resources Institute und das World Business Council for Sustainable Development haben in Anlehnung daran in 2004 die den ersten Berechnungsstandard herausgebracht, der sich jedoch ausschließlich auf die Treibhausgasemissionen bezog und alle weiteren Umweltkategorien ausschloss. Die Aufschlüsselung der einzelnen Emissionsquellen gilt als die Grundlage für die systematische Verminderung im Zuge einer Klimaschutzstrategie. Einige Jahre später wurde die Emissionsberichterstattung von dem begrenzten Fokus auf einen Unternehmensstandort systematisch auf die gesamte Wertschöpfungskette erweitert, was auch mit einer steigenden Transparenz in Lieferketten einherging. Heute gibt es mehrere Berechnungsstandards für Treibhausgasemissionen, die von der ISO (Internationalen Organisation für Normung), den Autoren des ersten Greenhouse Gas Protocol und der britischen Organisation PAS (Publicly Available Standard) herausgegeben werden.

Nach dem internationalen Regelwerk des Greenhouse Gas Protocol, das die Grundlage für die späteren Regelwerke der ISO, OIV und anderen Brancheninitiativen darstellt, werden die Treibhausgasemissionen in sogenannte Scopes eingeteilt, was sich am besten mit dem Ausdruck „Bereich“ oder „Umfang“ übersetzen lässt. Sinn und Zweck ist es, die Emissionsquellen dem Handlungsspielraum von Unternehmen zuzuordnen. So sind Emissionsquellen in Scope 1 unter der direkten Kontrolle des Betriebs und betreffen explizit die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Emission weiterer klimaschädlicher Gase (z.B. durch Leckagen von Kühlmitteln), aber auch die Entstehung von Lachgas durch Aktivitäten am eigenen Standort. Scope 2 betrifft ausschließlich die Emissionen, die am Standort des Energieversorgers angefallen sind, und umfassen sowohl Strom als auch Fernwärme. Unter Scope 3 werden alle weiteren wesentlichen Emissionsquellen zusammengefasst. Für Betriebe der Weinwirtschaft betrifft dies sämtliche Materialien, die verwendet werden, bis der Wein verpackt in die Hände der Kunden gelangt. Darüber hinaus werden an dieser Stelle auch die Bereitstellung fossiler Brennstoffe sowie deren Verbrauch durch die Mobilität von Geschäftsführung, Mitarbeitern und Waren erfasst, sofern diese nicht mit dem unternehmenseigenen Fuhrpark (Scope 1) bewerkstelligt wird (Tabelle 1). Es handelt sich folglich um das vollständige Inventar der wesentlichen Materialien und Energieträger, die im Zuge der Weinproduktion eingesetzt werden.

 

Tabelle 1: Emissionsquellen und deren Kategorisierung aus Perspektive des Weinguts (eigene Darstellung)